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Mehr Coworking wagen! Ampel sieht Coworking als Lösungsansatz für neue Arbeitswelt

Der CoWorkLand-Check-Up zum Koalitionsvertrag

30.11.2021 Ulrich Bähr
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Mehr Coworking wagen!

Ampel sieht Coworking als Lösungsansatz für die neue Arbeitswelt: 

 Der Ampel-Koalitionsvertrag enthält einige wichtige Aussagen, die die zukünftige Entwicklung der Coworking-Branche beeinflussen können. Aber wie? Wir haben es uns genauer angesehen.

 Es finden sich zwei Erwähnungen:

1. „Wir unterstützen Initiativen zur Schaffung von Orten im ländlichen Raum, die Angebote bspw. der Nahversorgung, der Kultur, Bildung und Gesundheitsdienstleistungen bündeln (Dienstleistungszentren, Gemeinschaftshäuser, Dorfbüros).“ (S. 129)

2. „Coworking-Spaces sind eine gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen.“ (S. 68)

 

Coworking-Spaces als ländliche Daseinsvorsorge anerkannt – neue Fördermöglichkeiten

 Schauen wir uns zuerst den ersten Satz an, der sich unter der Überschrift „Gute Lebensverhältnisse in Stadt und Land” findet. 

 

Es ist wichtig, dass die positiven Effekte von Coworking – hier Dorfbüros genannt auf die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum explizit erwähnt werden. Somit  ziehen sie mit anderen herkömmlichen Einrichtungen zur Verbesserung der Daseinsvorsorge auf dem Land gleich.

Sie stehen nun in einem deutlichen Zusammenhang mit neu zu entwickelnden Förderrahmenrichtlinien:

 „Bund und Länder sind gleichermaßen in der Verantwortung für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen. Gezielt zu diesem Zweck werden wir die Mittel von GRW und GAK jährlich dynamisch erhöhen. Wir wollen die Möglichkeiten der Infrastrukturförderung in der GRW und GAK erweitern, deren Anwendbarkeit flexibilisieren und die mehrjährige Übertragbarkeit der Mittel sicherstellen. Der Sonderrahmenplan „Ländliche Entwicklung“ wird aufgestockt und ausgebaut. Wir prüfen einen neuen Fördertatbestand „Regionale Daseinsvorsorge“ innerhalb der GRW.“ (S. 130)

 Coworking-Spaces, die einen Beitrag zur Daseinsvorsorge leisten, sind also aus diesem neuen Fördertatbestand grundsätzliche förderfähig. Allerdings waren sie dies aus der GAK auch schon seit 2019. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Richtlinien, nach denen die Mittel zu vergeben sind, nicht auf die Bedürfnisse der Coworking-Gründer*innen ausgerichtet sind, so dass der Topf nur schwer nutzbar ist. 

 Check. Dies ist eine zentrale Forderung der CoWorkLand eG. Aber: Hoffentlich nicht doch ein Fail: Bei der Ausgestaltung der „Regionalen Daseinsvorsorge“ müssen die Bedürfnisse der Coworking-Gründer*innen stärker berücksichtigt werden. Die Einrichtung eines solchen neuen Fördertatbestandes ist eine Chancen für das ländliche Coworking, die genutzt werden muss.

Zugang zu Fördermitteln erleichtern

Es wird also neue Fördermöglichkeiten geben - aber wie zugänglich werden die sein? Auch hier verspricht der Koalitionsvertrag Besserung: 

„Wir werden das gesamtdeutsche Fördersystem und die unter diesem Dach gebündelten

Förderprogramme – orientiert an der Stärkung der strukturschwachen Regionen – weiterentwickeln. Wir werden Förderprogramme zusammenfassen, vereinfachen, flexibilisieren, harmonisieren und die Mittel prioritär dorthin fließen lassen, wo der Nachholbedarf am größten ist.” (S. 129)

Check & Chance:  Eine zentrale Forderung ist der bessere Zugang zu Fördermitteln. Auch hier ist am Ende die Frage, wie dieser Vorsatz umgesetzt wird. Wir sehen hier eine riesige Chance für die Entwicklung des ländlichen Coworkings im Kontext der Daseinsvorsorge! Gemeinden könnten Förderungen, insbesondere kleiner Spaces, in Zukunft beispielsweise unmittelbar an die Space-Betreiber*innen leiten, wie Zuschüsse für die Feuerwehr oder die Grundschule. Hierfür werden wir uns nun nachdrücklich einsetzen. 

Raus aus der Nische: Coworking-Spaces als neues Arbeitsmodell anerkannt

 „Coworking-Spaces sind eine gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen.“ (S. 68)

 Allein die Erwähnung von Coworking-Spaces als Gestaltungsmittel der zukünftigen Arbeitswelt ist ein sehr positives Signal – denn noch stehen den 45 Millionen Beschäftigten in Deutschland mit nur ca. 850 Coworking-Spaces einem geringen Angebot gegenüber. Die Ampel erkennt also das glaubwürdige riesige Potenzial, das im Coworking steckt. Es wird aus der politischen Perspektive nicht mehr als temporärer Trend wahrgenommen, sondern als gesellschaftlicher Fakt, der eine breite Wirkung entfalten kann. Eine Wirkung auf zwei der wichtigsten gesellschaftspolitischen Felder der nächsten Jahre, dem Wandel der Arbeitswelt und der ländlichen Entwicklung.

 Check. Das ist ein wichtiger Schritt für die ganze Branche, denn in Zukunft geht es nicht mehr um das „ob“, sondern um das „wie“. Beispielsweise beim Thema  der besseren Förderbedingungen oder zu klaren gesetzlichen Rahmenbedingung für die tägliche Arbeit der Coworking-Spaces, die nicht nur jetzt während der Coronakrise schmerzlich vermisst wurden.

 

Mobile Arbeit: Abgrenzung von der Arbeitsstättenverordnung

 Eine noch höhere Relevanz erhält der Satz …


„Coworking-Spaces sind eine gute Möglichkeit für mobile Arbeit und die Stärkung ländlicher Regionen.“


…  durch die Sätze, die ihm vorausgehen:

 „Homeoffice grenzen wir als eine Möglichkeit der Mobilen Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung ab. Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sind bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen. Dies erfordert Information und Beratung der Beschäftigten sowie deren angemessene Unterstützung durch ihre Arbeitgeber. Zur gesunden Gestaltung des Homeoffice erarbeiten wir im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen.“ (S. 68)

 Es ist ein großer Schritt nach vorne, dass der Vertrag einerseits die Mobile Arbeit dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung entzieht, und nur allgemein „Arbeitsschutz“ und „gute Arbeitsbedingungen“ in der Mobilen Arbeit fordert.

Denn genau hier wird Coworking als „gute Möglichkeit“ hervorgehoben, wie Mobile Arbeit positiv gestaltet werden kann – und das bedeutet, dass für Angestellte, die unregelmäßig in einem Coworking-Space arbeiten, die Arbeitsstättenverordnung nicht greift. Damit würde eine bisherige rechtliche Grauzone, in der sich Coworking-Spaces befanden, beseitigt.

 

Coworking als Lösung für die Herausforderung guter mobiler Arbeitsbedingungen

 Die Ampel erkennt an, dass man den eigenen Fähigkeiten der Menschen vertrauen muss, in der Mobilen Arbeit für sich selbst die besten Arbeitsumstände einzurichten. Das ist – vor allem für die SPD – ein großer Schritt. Diese Umstände sind so variabel und vielfältig, dass sie nicht gesetzlich festgelegt werden können, und die Arbeitgeber können dafür nur bedingt verantwortlich gemacht werden – denn die mobil Arbeitenden sind ja unkontrollierbar irgendwo da draußen.

 Um diese selbstgestalteten guten Arbeitsumstände herbeizuführen, sollen die Beschäftigten daher unterstützt, beraten und informiert, nicht aber reglementiert werden. Also ein Schritt Richtung Freiheit und Eigenverantwortung. 

 Unter diesen Umständen sind Coworking-Spaces tatsächlich eine sehr gute Form, mobil Arbeitenden gesicherte, gute Arbeitsbedingungen zu bieten.

Dies hat die Ampel erkannt, und die Arbeitsschützer der SPD werden Gefallen daran finden.

An diese Argumentation anknüpfend wäre es im öffentlichen Interesse, anwendbare und lebensnahe Standards guter Arbeit für die mobile Arbeit in Coworking-Spaces zu schaffen – denn sie sind der einzige Raum mobiler Arbeit, wo dies möglich ist.

Für die Coworking-Spaces wäre das sehr wünschenswert, da sie so durch Empfehlung der Politik einen verbesserten Marktzugang gerade gegenüber großen Arbeitgebern finden würden.

 Check! Damit erfüllt die Ampel eine der CoWorkLand-Forderungen an die Politik.

 

Rahmenbedingungen für Coworker*innen verbessern sich

 Die Anerkennung einer neuen, flexiblen Arbeitsrealität bedeutet aber auch, dass man sich von bisherigen Glaubenssätzen verabschieden muss – dies betrifft vor allem die SPD.

Ein positives Zeichen dass die Ampel es ernst meint ist daher, dass die bisher von der SPD verteidigte tägliche Höchstarbeitszeit zumindest sanft flexibilisiert wird:

 „Wir halten am Grundsatz des 8-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz fest. Im Rahmen einer im Jahre 2022 zu treffenden, befristeten Regelung mit Evaluationsklausel werden wir es ermöglichen, dass im Rahmen von Tarifverträgen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen und in einzuhaltenden Fristen ihre Arbeitszeit flexibler gestalten können. Außerdem wollen wir eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, auf Grund von Tarifverträgen, dies vorsehen (Experimentierräume).“ (S. 70)

 Damit erkennt die Ampel den Wunsch vieler Menschen an, auch nach der Pandemie weiterhin verstärkt mobil zu arbeiten und ihre Arbeitszeit dabei selbst zu gestalten – und der Unternehmen mit einer fortgeschrittenen Arbeitskultur, dies zu ermöglichen. Besonders wichtig erscheint dabei folgender Satz:

 „Dabei müssen flexible Arbeitszeitmodelle (z. B. Vertrauensarbeitszeit) weiterhin möglich sein.“ (S. 70)

 Der Satz steht vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils von 2019, nachdem die Arbeitgeber*innen zu einer lückenlosen Arbeitszeiterfassung ihr Mitarbeiter*innen verpflichtet werden – durch die „Stechuhr für alle“ drohte die bisher erreichte Flexibilisierung durch mobile Arbeit zurückgedreht zu werden.

 Check! Gerade mit der Maßgabe, dass Vertrauensarbeitszeit ermöglicht werden soll, ist eine der CoWorkLand-Forderungen erfüllt. Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitenden freies mobiles Arbeiten ermöglichen und in deren Firmenkultur die elektronische Stechuhr nicht hineinpasst, sollen dafür einen legalen Rahmen haben.

 

Kein Recht auf Mobile Arbeit

Ein Recht auf Mobile Arbeit hingegen hat seinen Weg nicht in den Vertrag gefunden – hier mag die FDP im Weg gestanden haben, die dies schon früher ablehnte. Allerdings finden sich folgende Sätze: „Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten erhalten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice. Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen.“ (S. 71) 

Dies beschreibt eine softe Variante eines Rechtes auf Mobile Arbeit, nämlich die grundsätzliche Anerkennung, dass es den Beschäftigten zusteht, außer, es sprechen betriebliche Belange dagegen.

 Fail. Dies ist nur eine andere Beschreibung des Status Quo. Wer mobil Arbeiten will, muss beim Chef nachfragen – nur, dass es nun bei Ablehnung begründet werden muss. Man kann also nur auf einen Kulturwandel in den Chefetagen setzen, aktuelle Umfragen deuten allerdings auf einen Graben zwischen den Bedürfnissen der Beschäftigten und den Vorstellungen der Arbeitgeber hin. Hier wäre es wünschenswert gewesen, den Beschäftigten bessere Werkzeuge zu geben, ihren Wunsch nach Mobiler Arbeit auch durchzusetzen.

 

Fazit: Ampel erkennt das Zukunftspotenzial von Coworking

Durch die Corona-Pandemie hat sich die Arbeitswelt, aber auch das Verhältnis zwischen Stadt und Land, radikal verändert. Die Ampel-Parteien erkennen diese Änderungen an und bieten erste Lösungsansätze. Coworking gehört dazu.

Wie schon beschrieben, ist dies besonders bemerkenswert, da das aktuelle, sofort umsetzbare Lösungspotential von Coworking noch sehr gering ist. Es gibt noch viel zu wenig Flächen, um einen messbare Wirkung  zu haben. Es ist das Zukunftspotenzial, das Coworking in den Koalitionsvertrag gebracht hat –vergleichbar mit der Wasserstofftechnologie.

Für uns als Coworking-Betreiber*innen bietet dies die Chance, mit der Politik darüber zu sprechen, was getan werden muss, um dieses Potenzial zu entfesseln. Und dafür zu sorgen, dass nun die richtigen, wirklich wirksamen Initiativen angeschoben werden.

 

Politische Arbeit der CoWorkLand eG – Unterstützt uns durch Euren Beitritt!

Die CoWorkLand eG vertritt die Interessen der dezentralen Coworking-Spaces gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen mit Netzwerkarbeit, Informationen und deutlichen Forderungen.

 In den letzten drei Jahren haben wir:

  • an zahlreichen Fachgesprächen von Bundestags- und Landtagsfraktionen teilgenommen.

  • an Veranstaltungen der Parteien wie Bundesarbeitsgemeinschaften oder der „Stadt-Land-Zukunft“-Konferenz der Grünen Bundestagsfraktion, die das Wahlprogramm der Grünen vorbereiteten, mit Input und Workshops teilgenommen.

  • an Workshops von Landesregierungen, in denen neue Arbeitsmodelle, Mobile Arbeit und Coworking-Szenarien bearbeitet wurden, als Inputgeber*innen teilgenommen.

  • mit Ständen auf Events wie dem Tag der deutschen Einheit, der Internationalen Grünen Woche, oder der NORLA informiert und Orte für Vernetzung und Hintergrundgespräche geschaffen.

  • zahlreiche Hintergrundgespräche mit Politiker*innen auf Bundes- und Landesebene geführt, u.a. mit Arbeitsminister Hubertus Heil.

  • ein Positionspapier verfasst und initiiert, in dem die oben erwähnten CoWorkLand-Forderungen formuliert wurden und das von vielen wichtigen Akteur*innen der ländlichen Innovationsszene unterschrieben und breit im politischen Raum geteilt wurde. 

  • ein Netzwerk von Unterstützer*innen auf allen politischen Ebenen von Bund bis Kommune aufgebaut, vor allem auch zu den Regionalentwicklungs- und Förderabteilungen der Bundes- und Landesministerien und ihren nachgeordneten Stellen, so dass wir z.B. bei der Entwicklung neuer Förderprogramme oft um Rat gefragt werden. Gerade unsere dezentrale Aufstellung mit Landes- und Regionalbüros ermöglicht uns dies.

 Wir haben durch diese Aktivitäten unseren Beitrag zu dem für unsere Branche positiven Koalitionsvertrag geleistet. Auch unsere Mitglieder ergreifen dabei immer wieder die Möglichkeit, Coworking Politiker*innen aus ihrer Region zu erklären.

Mit 180 Mitgliedern (Dezember 2021) ist die CoWorkLand eG  die größte und wirksamste Vertretung ländlicher Coworking-Spaces in Deutschland.

Wir sind Eure Lobby - tretet der CoWorkLand eG bei und unterstützt unsere Arbeit!

Zwei gute Gründe:

-   Je mehr CoWorking-Betreiber*innen wir sind, desto besser werden wir gehört.

-   Lobbyarbeit für unsere gemeinsame Sache kostet Zeit und Geld. Mit Eurem Jahresbeitrag unterstützt ihr diese Arbeit.

 

Den Mitgliedschaftsantrag findet ihr hier:

 

https://coworkland.de/de/genossenschaft/mitglied-werden



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