Story

Wieso das Ende von WeWork nicht das Ende ländlichen Coworkings ist

Vieles wurde erzählt in den letzten Monaten. WeWork ist pleite, hat Coworking daher überhaupt noch eine Zukunft? Oder wurde alles viel zu heiß gekocht? Wir sagen: Natürlich lebt Coworking und erst recht auf dem Land.

07.12.2023 Nicole
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2015 ging es los: Berlins damalige Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer war zusammen mit dem Bundesverband Deutsche StartUps in New York unterwegs, um dortige Unternehmen auf Berlin als attraktiven Standort aufmerksam zu machen. Eines der StartUps, das dem Ruf folgte, war WeWork. Schon Anfang des Folgejahres expandierte die Kette nach Deutschland und eröffnete gleich drei neue Standorte in der Hauptstadt. 2018 mietete das Unternehmen gar 14 Stockwerke im ehemaligen Berliner Debis-Turm an, ganze 13.000 Quadratmeter, und erschloss damit seinen 7. Standort in Deutschland. In Summe betrieb das Unternehmen zuletzt 660 Standorte in 119 Städten weltweit. Dazwischen gab es einen geplatzten Börsengang, seit Jahren immer wieder starke finanzielle Verluste und Schulden, regelmäßige Kritik an der Führung von Mitgründer und bis 2019 Chef Adam Neumann, Ausfälle in den Corona-Jahren und eine maßlose Überbewertung des Unternehmens durch Geldgeber wie die japanische Softbank. Von Anfang an stand eines bei WeWork immer im Fokus: Die Immobilien.

Coworking ist Gemeinschaft, nicht Immobilien

Inzwischen hat das Unternehmen Insolvenz angemeldet und für die Medien ist der Abstieg des schon lange umstrittenen Unternehmens ein gefundenes Fressen. Überall lesen wir, wie WeWork nun pleite ist und was das wohl für Coworking bedeutet. Ist das Konzept doch nicht so sinnvoll und gefragt, wie gedacht? Alles nur moderner Quatsch und es funktioniert eh nicht? Die Antwort darauf ist: Natürlich nicht. WeWork hat innerhalb kürzester Zeit viele Immobilien gekauft oder angemietet, diese im Corporate Design des Unternehmens alle mehr oder weniger gleich hergerichtet und dann im großen Maßstab Büros vermietet. Das ist nicht das Coworking, wie wir es als Genossenschaft verstehen.

Die ideale Reihenfolge für einen neu entstehenden Coworking Space ist ein Netzwerk aus Menschen, die sich zusammentun und einen gemeinsamen Ort erschaffen wollen. Erst dann findet sich eine passende Immobilie, die den Bedürfnissen dieser Gemeinschaft gerecht wird. Sollte es doch schon ein Haus geben, kann die Gemeinschaft jedoch zumindest mitentscheiden, wie die Räume gestaltet sein sollen und was der Ort alles anbietet. Also das genaue Gegenteil von WeWork: menschenzentriert statt immobilienzentriert. Das sorgt am Ende auch dafür, dass die Menschen nicht nur kommen, weil sie vergleichsweise günstigen Büroraum mieten können, sondern weil sie die Gesellschaft genießen und sich eine echte Loyalität entwickelt. Besonders für ländliches Coworking ist diese Priorität für den Erfolg unerlässlich. Platz, und das auch relativ günstig im Vergleich zu Großstädten, gibt es genug. Lebendige Räume der Zusammenkunft für die verschiedensten Menschen und Bedürfnisse vor Ort schon weniger. Hier funktioniert kein Einheitskonzept, das man einfach überall drüber stülpen kann. Hier funktionieren Beteiligung, Mitsprache, individuelle Angebote und eine familiäre Atmosphäre – auf 14 Stockwerken schwer zu machen. (Übrigens: Im Anschluss an seine Zeit bei WeWork hat Adam Neumann vergangenes Jahr ein Mietwohnungsunternehmen gegründet.)

Organisch wachsen statt künstlich aufblasen

Ein weiterer Grund, warum es WeWork nicht geschafft hat, ist das viel zu schnelle Wachstum auf Basis rein theoretischen Geldes. Nachdem das Unternehmen 2019 an die Börse wollte, mussten sie ihren Finanzen offenlegen. Es zeigte sich sehr schnell, dass WeWork seit 2016 Verluste einfuhr, die immer größer wurden. Die damalige Bewertung auf 47 Milliarden Dollar kam nur durch externe Geldgeber zustande, die den Wert künstlich in die Höhe gepusht haben. Sowohl Adam Neumann als auch andere bereicherten sich an dem Unternehmen und zogen es damit immer weiter herunter, während es scheinbar nach außen hin wuchs.

Ein ländlicher Coworking Space ist keine goldene Gans. Das schnelle und auch das viele Geld lässt sich hiermit nicht machen. Menschen, die im ländlichen Raum gründen wollen, brauchen vor allem Herzblut und die intrinsische Motivation einen gemeinschaftlichen Ort in ihrer (Wahl-)Heimat zu schaffen. Oftmals bleiben die Spaces über lange Jahre hinweg so, wie sie gegründet wurden. Erst, wenn es die finanzielle Lage zulässt und die Gemeinschaft ernsthaft genug die Wünsche äußert, können weitere Ausbaustufen folgen. So plant unser Mitglied Wohnzimmer Coworking in Wernigerode gerade, noch mit im Haus entstehenden Wohnungen Workation anzubieten. Ein anderes Beispiel für organisches, community-orientiertes Wachstum ist das Office & Friends in Iserlohn, welches in drei Ausbaustufen erst den „normalen“ Coworking Space entwickelt hat, dann einen großen Raum für Events und zuletzt ein Tiny-House-Dorf in einer Industriehalle, um Platz für weitere Büros zu schaffen. Beide haben zunächst kleiner angefangen und entwickeln ihre Orte nach Nachfrage, Bedarf und finanzieller Möglichkeit.

Die WeWork-Geschichte zeigt also vor allem eins: Coworking ist zu einem Modebegriff geworden, hinter dem sich nicht immer verbirgt, was es eigentlich sein sollte. Viele nutzen das Wort, weil es inzwischen bekannter geworden ist und man sich innovativ und modern geben kann, wenn es irgendwo draufsteht. Doch Coworking ist mehr als Büroräume und schickes Design. Coworking ist der Wunsch, Schranken zwischen den Branchen aufzubrechen, sich gegenseitig zu inspirieren, verschiedenste Menschen kennenzulernen und Orte wiederzubeleben. So wird man nicht zu einem 40-Millarden-Dollar-Unternehmen, aber so reicht man auch nicht nach wenigen Jahren Insolvenz ein und bringt tausende von Menschen um ihren Job.


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