Story

Utopie denken und Utopie machen

Eine Woche voller Input bei der Utopie-Konferenz in Lüneburg und auf dem Überland Festival in Görlitz. Ein Bericht.

06.09.2022 Nicole
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Die erste Septemberwoche stand ganz im Zeichen der nachhaltigen Regionalentwicklung. Den Grundstein legte die Utopie-Konferenz an der Leuphana Universität Lüneburg. Motto dieses Jahr war „Wie viel Utopie braucht die Freiheit?“. Mediale Berühmtheiten wie die Transformationsforscherin Maja Göpel und der philosophische Autor Richard David Precht formulierten zusammen mit den Wissenschaftler:innen der Konferenz interessante Denkanstöße rund um die wichtigen Themen wie Ernährung, Bildung, Energie, Grundeinkommen, Politik und digitale Gemeingüter.

Wissenschaft und die Frage nach dem „Wofür?“

Die Einführung zu den „Denkräumen“, also Workshops zu den oben genannten Themen, hielten dann auch zwei Wissenschaftler:innen der Universität. Sie stellten vor allem die aktuelle Wahrnehmung von Wissenschaft in Frage. Viele Menschen würden von der Wissenschaft Antworten und Lösungen erwarten, was aber nicht Aufgabe der Wissenschaft sein sollte. Als Praktiker:innen-Netzwerk, welches selbst Forschung betreibt, sagen wir dazu: Wenn die Wissenschaft keine Antworten auf die drängenden Fragen liefern kann, welchen Nutzen hat sie dann? Auf der anderen Seite sprachen die beiden Referent:innen einen sehr wichtigen Punkt an: Wissenschaft dürfe nicht losgelöst von der Gesellschaft passieren und sie stellten die Frage in den Raum, wie man zum einen wissenschaftliche Forschung in die Gesellschaft bringt und zum anderen die Gesellschaft an der Wissenschaft beteiligt. Ein stärkerer Austausch müsse her und keine Unantastbaren in den Elfenbeintürmen der wissenschaftlichen Einrichtungen. Dazu rufen wir: Großartig! Das sind die richtigen Fragen und nur bessere und intensivere Beteiligungsformate machen aus theoretischer Wissenschaft wirkliche Praxis.

Die Praxis fand während der viertägigen Konferenz an einem lauen Sommerabend im Format „Lange Nacht der utopischen Praxis“ statt. Dort waren wir mit CoWorkLand mit von der Partie und tauschten uns mit den Besucher:innen zu unserer Karte der neuen Ländlichkeit aus. Natürlich in Form eines Spiels, indem die Teilnehmenden verschiedene Rollen einnahmen, wie die Pastorin, die Verwaltungsangestellte, die Bäuerin oder die Grafik Designerin, um die Heterogenität einer ländlichen Gemeinschaft beispielshaft zu sehen und zu verstehen. Mithilfe des Spiels konnten wir für unsere bereits im vergangenen Jahr auf der Utopie-Konferenz entwickelte Karte weitere Lösungsansätze für drängende Fragen rund um Arbeit, Bildung, Beteiligung und Mobilität finden.

Und weiter geht es zum Überland Festival

Mit den zusätzlich Ergebnissen im Gepäck ging es mit unserer Karte anschließend weiter nach Görlitz nahe der polnischen Grenze. Dort fand zum dritten Mal das Überland Festival des Thünen Instituts für Regionalentwicklung auf dem Gelände des Kühlhauses statt. Ein Szenenwechsel, der krasser kaum sein könnte. Von der akademischen Theorie-Welt des hochmodernen Libeskind-Auditoriums hinzu industriellem DDR-Charme umgeben von Wäldern und überlaufen von Macher:innen, die oft schon seit Jahren mit ihren kreativen und innovativen Projekten die ländlichen Räume Ostdeutschlands wiederbeleben und weiterentwickeln. Während in Lüneburg die ländliche Entwicklung ein kleines Randthema war, dreht sich in Görlitz jeder einzelne Workshop, jedes Plenum, jede Ausstellung und jedes Gespräch beim Bierchen an der Bar um Landleben und die Motivation hinter den Projekten. An diesem Ort mit seinem kleinen Campingplatz, den idyllischen Aufbauten mit Kulturpavillon und Lichterkunst, dem grandiosen Essen, den verschiedensten Künstler:innen und der Musik, passiert das Netzwerken von ganz alleine.

Mit dabei sind natürlich immer die Neulandgewinner. Ausgezeichnet vom Neuland gewinnen e.V. in Kooperation mit dem Thünen Institut finden sich jährlich „Menschen, die selbst anpacken, um ihre Heimat zu einem Ort zu machen, an dem sie gerne leben.“ Der Fokus liegt hierbei auf den ostdeutschen Bundesländern und die Veranstaltung zeigt sehr schön, dass die Vorurteile über den stagnierten und verfallenen Osten, indem lediglich Menschen mit rechter Tendenz ihr tristes Dasein pflichten, alles andere als richtig sind. Von Freitag bis Sonntag wird das Gelände des Kühlhauses bunt und laut und die Gespräche drehen sich nicht (nur) um Theorien, sondern zum großen Teil um gelebte Praxis und inwiefern die verschiedenen Initiativen und Projekte sich gegenseitig noch weiter voranbringen und unterstützen können. Die Utopie ist hier vom Denken längst ins Machen übergegangen.

Diversität auf dem Land

Auch hier bieten wir am Samstag zwei Workshops an und diskutieren mit den Teilnehmenden über die ländlichen Entwicklungen. Hätten wir hier überhaupt die verschiedenen Rollen gebraucht? Beim Blick in die Runde und der kurzen Vorstellung sehen wir die unterschiedlichsten Alterskategorien, Wohnorte, Hintergründe und Motivationen. Die Diversität muss hier nicht künstlich erzeugt werden, sie zeichnet sich ganz von selbst ab. Der gemeinsame Nenner: Die eigene, ländliche Heimat soll leben.

Mit den Ergebnissen aus den weiteren Spielrunden, spannenden neuen Kontakten und Ideen haben wir Görlitz inzwischen wieder verlassen und freuen uns schon auf das nächste Jahr, wenn es wieder heißt: Landleben neu machen.


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