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Ist Coworking auf dem Land ein Geschäftsmodell?

In diesem Artikel sind Zitate von verschiedenen Coworking-Experten enthalten zu der Frage: "Ist Coworking auf dem Land ein Geschäftsmodell?".

28.12.2020 Christopher J. Schmidhofer
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In diesem Artikel sind Zitate von verschiedenen Coworking-Experten enthalten zu der Frage: "Ist Coworking auf dem Land ein Geschäftsmodell?". Diese habe ich für eine Coworkland-Landesbüro-Veranstaltung im November 2020 eingesammelt. Diese Aussagen sammle ich hier und freue mich auf Diskussionen dazu.

Hier sind ein paar Fragen, die Sie sich beim Lesen der Zitate stellen können:

  • Was genau sind eigentlich Coworking Spaces? Was sind keine Coworking Spaces? Wo ist eine Grauzone und wer trifft diese Entscheidung?

  • Was ist "Wirtschaftlichkeit"? Was bedeutet das, vor allem unter Betrachtung der Sekundäreffekte?

  • Welche Einflussfaktoren sind wichtig?

  • Welche Nachfrage besteht nach solchen Angeboten? Steigt oder sinkt die Nachfrage in Zukunft?

  • Ist eine Kombination mit anderen Angeboten möglich, notwendig oder störend? Mit welchen?


 

Johanna Voll ist freiberufliche Projektentwicklerin sowie Initiatorin der Coworking Library, sehr engagiert in der German Coworking Federation und bei der European Coworking Assembly.

Coworking auf dem Land kann ein Geschäftsmodell sein, wenn es gemeinsam mit den jeweiligen Herausforderungen vor Ort gedacht wird und dafür aktive Lösungen bietet. Das kann regional sehr unterschiedlich sein und muss sowohl innerhalb der bestehenden Gemeinschaft gedacht werden, als auch mit den Menschen, die angezogen werden sollen. Zentral sind dabei Rückkehrer*innen, Newcomer, Menschen vor Ort und das Organisationsteam, was bestenfalls eine gute lokale Einbindung hat, sodass ein solcher Space nicht wie ein UFO wirkt, sondern in bestehende Strukturen (Wirtschaftsförderung, lokale Initiativen wie Verein und Gemeinde sowie neue Angebote) verwoben ist. Das Konzept eines Dorfgemeinschaftshauses, was diverse Funktionen übernimmt scheint mir in diesem Zusammenhang sinnvoll.


 

Tobias Kremkau, der Coworking Evangelist und sehr engagiert im Bundesverband Coworking "German Coworking Federation"

Nein, Coworking ist im ländlichen Raum kein eigenständiges Geschäftsmodell. Vielmehr muss ein ländliches Coworking-Angebot als Ergänzung zu einem funktionierenden Geschäftsmodell – wie beispielsweise die Hotellerie, die Gastronomie, etc. – gedacht oder als Teil der kommunalen Daseinsversorgung betrieben werden. Coworking funktioniert auf dem Land als Serviceangebot an die Menschen, nicht aber als ein sich wirtschaftlich selbst tragendes Geschäftsmodell.


 

Viktoria Heinzel, Hochschule der Medien Stuttgart

Meiner Ansicht nach ist es kein eigenständiges Geschäftsmodell, vielmehr ein Unterkonzept des Coworking-Arbeitsmodell. Dennoch sind unterschiedliche Geschäftsmodell-Ansätze in den Fallbeispielen des "Rural Coworking" zu beobachten, die einen spezifischen Mehrwert für ihre Nutzer/ Kunden verfolgen, wie z.B. "Workation" (Work + Vacation z.B. Coconat, Rayaworx), "Pop-up" (temporäre Konzepte als Anreiz, z.B. Coworkland, CWS von 1000 Satellites/ Neustadt an der Weinstr.), "Coliving" (mehr als nur ein Urlaubsaufenthalt, z.B. Sende Coworking, Arctic Coworking Lodge), "Corporate" (insb. Mehrwert für Unternehmensangestellte im Fokus, z.B. einzelne Fallbsp. Village Office) und natürlich auch weitere hybride Geschäftsmodelle aus der Kombination bekannter oder neuer Ansätze. Bisherige Fallbeispiele differenzieren sich meiner Einschätzung nach insbesondere im Bereich der "Key Ressources", "Value Propositions" und "Customer Segments".


 

Heiko Kolz, (Mit-)Gründer “Alsenhof” und “Alter Heuboden”

Coworking auf dem Land lohnt sich wenn man es mit anderen Sachen/Bereichen kombiniert, wie z.b. Handwerk, Politik, Banken etc. (von Dorf zu Dorf verschieden). Coworking allein ist kein Geschäftsmodell, sondern nur eine neue, zeitgemäße Art des Netzwerkens zur Erzeugung riesiger Synergieeffekte. Und dank des Internet-Ausbaus geht dies endlich auf dem Land mit schöner Aussicht und Natur 🤩🤩🤩


 

Patrick Sellier, Zammworkerei in der Tauglerei

Coworking auf dem Land wird vermehrt zu einem funktionierenden Geschäftsmodell, da immer mehr Menschen erkennen, dass dort meist ein Ort ist, an dem es ums Tun und Machen geht, und nicht ums Reden. Dieser Ort bietet weniger Ablenkung und ermöglicht dadurch Konzentration auf die eigene Idee und leichter zugängliche Unterstützung durch lokale vernetzte und kooperierende Experten, Politik und Verwaltung. Er ist in in einer schönen Lage auf Zeit anziehend für Menschen in kreativen Hochphasen im Austausch. Er wird von Firmen immer mehr geschätzt, die Büroräume verkleinern und guten Mitarbeitern ein professionelles “Homeoffice” ermöglichen wollen.


 

Thorsten Wilhelm, Beirat bei Coworkland eG

Coworking auf dem Land kann ein Modell für betriebswirtschaftlichen Erfolg (eingesetzte Zeit und eingesetztes Kapital werden angemessen entlohnt und über bleibt auch ein Gewinn) werden, wenn die positiven volkswirtschaftlichen Wirkungen - wie z.B. die Entstehung von Innovationen durch Gedanken-/Erfahrungsaustausche im Space, die Reduzierung von Pendlerwegen (inkl. Stress, Kosten und CO2 Meidung), die Stärkung von (Dorf-) Gemeinschaften und die sich daraus ergebende Verbesserung der Lebensqualität etc. - bezahlt werden. Deren Bezahlung könnte beispielsweise über Steuervorteile (Abschreibungen, Pauschalen) und Zuschüsse (Investitionen, Betriebskosten-Zuschüsse, Übernahme von Gehältern für Coworking-Manager (w/m/d) in der Phase des Anschubbetriebs etc.) abgebildet werden - zukünftig über veränderte Preise beispielsweise bei den Kosten für Pendlerwege/-zeiten.


 

Ulrich Bähr, geschäftsführender Vorstand Coworkland eG

Coworking auf dem Land ist ein erwachender Riese. Das Geschäftsmodell wird in unterschiedlichen Szenarien funktionieren - schon in naher Zukunft wird eher das mangelnde Angebot das Problem sein, und nicht die mangelnde Nachfrage. 


 

Janosch Dietrich, Coconat workation retreat 

Für ein klassisches Coworking als Geschäftsmodell gibt es auf dem Land ohne ewig lange Anfahrtswege meist nicht die notwendige Anzahl an Kunden. Um ohne Fördermittel nachhaltig zu wirtschaften muss ländliches Coworking daher ein Element in einem Bündel von Erwerbsmodellen sein, z.B. kombiniert mit Einkaufen, Begegnung, Gastronomie, Bahnhof oder Tourismus. 


 

Verena Dillenburg, Tokunft Hus Gbr in Bücken

Ohne Wirtschaftsförderung der Gemeinde wären wir nicht in der Lage uns zu finanzieren. Wir tun Coworking nicht, um Geld zu verdienen, sondern um die Infrastruktur von New Work hier auf dem Land zu unterstützen. Langfristig werden wir bestimmt auch Geld verdienen, ein lukratives Geschäftsmodell ist Coworking alleine sicherlich nicht. Man muss Veranstaltungen/Workshops etc. zusätzlich anbieten. Ps: wir sind halt wirklich so richtig auf dem Land.


 

Frederik Fischer, Geschäftsführer des KoDorfs und des Summer of Pioneers

Coworking Spaces im ländlichen Raum sind mehrheitlich (noch) kein selbsttragendes Geschäftsmodell und müssen dies auch gar nicht sein. Sie stiften je nach Standort und Konzept einen erheblichen Mehrwert für den den Ort und sollten daher als Investition in die lokale Infrastruktur verstanden werden. Ich finde es weder ehrenrührig noch unangemessen, den Betrieb von ländlichen Coworking Spaces zumindest teilweise zu subventionieren. 


 

Björn Budack, Geschäftsführer der KB Kiez Büro GmbH

"Coworking auf dem Land" kann ein Geschäftsmodell sein. Die operative und finanzielle Herausforderung ist die Verknüpfung vieler kleiner Coworking Spaces zu einem Netzwerk. Dezentrale Standorte sind verhältnismäßig viel betreuungsintensiver als ein großer Standort, und die Investitionen in die Infrastruktur (Drucker, Router, Kaffeemaschine, Sofa, Telefonkabine u.ä.) können nur auf eine viel kleinere Anzahl von Arbeitsplätzen umgelegt werden. Sinnvoll kann daher die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern sein (Einzelhandel, Gastronomie, Hotel, öffentliche Verwaltung, etc.).


 

Johanna Kösler, Das CO - Coworking Esslingen

Meiner Meinung nach ist Coworking auf dem Land ein Geschäftsmodell, ja. Vor allem, wenn z.B. die Kommune oder ein/mehrere ansässige Unternehmen das gut finden und unterstützen. Es zu einem "echten, funktionierenden" Coworking Space und nicht nur zu einem Internetcafe zu machen, braucht Know How und Einsatz, und der will entsprechend entlohnt werden.


 

Thomas Wick, Cobaas - Coworking Space in Preetz, Initiator der Coworking Map

Ein Coworking Space auf dem Land hat meiner Ansicht nach eine größere wirtschaftliche Chance in einem Kombi-Angebot (Ferienwohnungen, Dorfladen, Maker Space). Eine Alternative ist die gezielte Kooperation mit einer Firma/Organisation in der nächsten Großstadt, die viele Pendler*innen hat.

Bei uns trägt sich der Aufwand ohne Personalkosten, da wir ja selbst vor Ort wohnen und das Space im eigenen Haus haben. Nächstes Ziel ist es, auch die Abschreibungen für die Erweiterungen und die Anschaffungen zu tragen. Dies wird wahrscheinlich aber erst ab dem kommenden Sommer möglich sein.


 

Passend zu diesen Fragen kam auch die Studie "Coworking im ländlichen Raum" heraus, welche hier gefunden und runtergeladen werden kann.

Was denken Sie nun nach Lesen all dieser Zitate? Waren für Sie überraschende Aussagen dabei? Welche Ihrer Gedanken sehen Sie bestätigt? Ich freue mich auf Ihren Kommentar.


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